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Mehr Bühne für das Psychodrama- eine psychodramatische Begegnung mit Führungskräften

„Common Purpose“ (CP) ist eine internationale, gemeinnützige Organisation, die weltweit in großen Städten oder Ballungsgebieten Führungskräfte ab der mittleren Führungsebene vernetzt und schult. Außergewöhnliche Begegnungen und Inhalte prägen das Programm für die Teilnehmenden.

Die Psychodramatikerin Gaby Birth stellte jetzt 50 Führungskräften aus dem Frankfurter Raum, die am Common Purpose-Programm teilnahmen, das Psychodrama vor. Im Interview berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dieser Begegnung.

Gaby, Du hast vor kurzem 50 Führungskräften aus dem Frankfurter Raum das Psychodrama vorgestellt. Wie kam es dazu?

Das Vernetzungssystem von Common Purpose ist in regionale Gruppen aufgeteilt. Die Teilnehmenden treffen sich regelmäßig zum einen zu kollegialen Beratungen  – zum anderen kommen sie durchschnittlich einmal monatlich in Workshops zu unterschiedlichen Themen zusammen. Ich persönlich hörte von CP zum ersten Mal. Die Anfrage kam über zwei Vertreterinnen vom DFP. Die verantwortliche Programmleiterin für Frankfurt, Renate Krol, suchte nach einer Psychodramatiker/in, die in einem dreistündigen Workshop die Methode des Psychodramas, insbesondere die Rollentheorie Morenos und seine Philosophie der Vernetzung, „lebendig“ und möglichst praxisnah „auf die Bühne“ bringen würde. CP wirbt mit einem neuen, außergewöhnlichen Verständnis von Leadership. Schlagwörter sind:  Perspektivwechsel, Soziale Verantwortung für Führungskräfte, Offenheit für Neues und für soziale Themen. Thema des Workshops sollte vor allem „Rollenvielfalt und Kreativität“ in der Führung sein. Ich befand sehr spontan, dass die Leitgedanken von CP perfekt zur Philosophie des Psychodramas passen würden und wir waren uns schnell einig, dass meine Vorstellung des Psychodramas dort eine bereichernde Erfahrung für alle Beteiligten sein könnte.

„Allen war das Psychodrama gänzlich unbekannt“

Wie hat diese so unterschiedlich zusammengesetzte Gruppe reagiert? Welches Feedback gab es?

An diesem Nachmittag saßen 50 Führungskräfte aus sehr heterogenen Kontexten und vielfältigen Ansprüchen zusammen im Halbkreis in einem großen Saal. Sie erwarteten einen Vortrag auf einem Podium. Nicht gerade das ideale „Psychodrama-Setting“ also. Im visualisierten, interaktiven Vortrag zur Idee und Methode des PD und der Rollentheorie war die Stimmung zunächst von Neugierde, Reserviertheit und natürlich auch Skepsis geprägt. Insbesondere Führungskräfte aus dem sozialen und klinischem Feld waren mit verschiedenen therapeutischen Ansätzen vertraut. Interessant war für mich auch, dass das Psychodrama gänzlich unbekannt war – nicht einer Person war es vertraut. Elemente aus dem Psychodrama wie Rollenspiel, Soziales Atom und Rollenatom wurden mit anderen Schulen (Gestalt) in Verbindung gebracht.

„Identifikationen waren schnell und authentisch“

 Eine schwierige Ausgangssituation also. Wie entwickelte sich Dein Besuch?

Die Dynamik im Publikum wurde schnell eine andere, als eine Protagonistin aus dem Zuschauerkreis bereitwillig eine für sie problematische Führungsszene auf die Bühne brachte. Die Inszenierung folgte dem klassischem Vorgehen und endete in einer komplexen Darstellung der Alltagswelt einer weiblichen Führungskraft, die sowohl für die Rollenträger (Hilfs-Iche), als auch für die Zuschauer erlebbar wurde. Die Identifikationen aus dem Publikum waren intensiv und authentisch. Und das, obwohl die Tiefung in der Bearbeitung entsprechend dem riskanten Setting nur gering war.

Anhand der Inszenierung wurde die Rollentheorie, die Gesetze der Rollenstarrheit und der Rollenvielfalt – anders als in einem Schaubild – nachvollziehbar und spürbar. Entsprechend positiv war das Feedback. Die Rückmeldungen bezogen sich zu 80 Prozent auf die eindrückliche Kraft der Bilder, die durch die szenische Bearbeitung entstehen. Ebenso auf die für Zuschauer/innen und Mitspieler/innen neue Erfahrung, dass „im Spiel“ so ernste Themen eine erfolgreiche Bearbeitung finden. Und – wie für Psychodramatiker/innen nicht ganz fremd – die Bewegtheit der Mitspieler auf der Bühne, die Veränderung der Protagonistin, so ganz ohne Training und nur mit knapper Regie.

Es gab natürlich auch viele Fragen bezüglich der Rollentheorie und ihrer methodischen Umsetzung in Coaching und Beratung. Und der Wirkungsweise des Psychodramas im Allgemeinen und Speziellen. Aber hier war dann der zeitliche Rahmen von nur anderthalb Stunden ein zu enges Korsett, so dass eine Reihe von Fragen offen blieben.

„Fatale Rollentrennung aufheben“

Was kann das  Psychodrama für Führungskräfte leisten beziehungsweise welche Rolle könnte es hinsichtlich der Führungskultur in unserer Gesellschaft spielen?

Führungskräfte wurden in der Vergangenheit immer darauf geschult und „getrimmt“, sich in besonderer Weise den Sachthemen zu widmen. Entscheidungen sollten rein logisch gefällt, Beziehungen distanziert gestaltet und Konfliktfelder mit Logik gelöst werden. Die ideale Führungskraft war immer vor allem „Manager“, Überblick und Steuerung von Prozessen wurden rein kognitiv trainiert. Bestenfalls gab es mal ein Rollenspiel zur Verbesserung der zielorientierten Gesprächsführung. Führungskräfte mussten sich weder in ihrem eigenen „ICH“ noch in der psychischen Beschaffenheit von Mitarbeitern auskennen.
Das Psychodrama kann in Philosophie und Methode die fatale Trennung der professioneller Führungsrolle von privaten und persönlichen Impulsen und Erlebniswelten, also Rollen, aufheben. Der Ansatz verführt in der praktischen Anwendung zu Perspektivwechsel (Rollenwechsel) und spontaner, intuitiver Handlungsweise. Ganz genau das, was Führungskräfte in dieser Welt benötigen, um in Teams  wirkungsvoll und auch sozial attraktiv zu sein. Das Psychodrama ist eine starke Gruppenmethode und lädt ein, sich über die Rolle in der Gruppe, dem eigenen Wirken im Spiegel der anderen bewusster zu werden. Ich halte den souveränen Umgang mit Gruppen und Teams für ein wesentliches, wenn nicht sogar DAS wesentliche Merkmal einer sympathischen, selbstbewussten und rollenklaren Führungspersönlichkeit.

Common Purpose hat ja als gemeinnützige Organisation unter anderem das Ziel, eine partizipative gesellschaftliche Führungskultur zu fördern und den Blick sowie das Handeln von Führungskräften stärker auf das Ganze, also das Gemeinwohl zu lenken. Welche Eindrücke diesbezüglich hast Du aus dem Zusammentreffen mitgenommen?

Hier muss ich passen. Vor und nach meinem „Auftritt“ gab es so gut wie keine Gelegenheit für ein Gespräch mit einzelnen Teilnehmerinnen. Aus den Resonanzen während des Vortrages kann ich den Schluss ziehen, dass die Gruppe ein außergewöhnliches Interesse an psychologischen Themen und der Wirkung von Beratung und Therapie hatte. Inwieweit die  besondere „Gruppenkultur“ von CP eine authentische, offene Bearbeitung von Themen auf der Bühne vorher bereits besonders gefördert hat, weiß ich aber einfach nicht.

„Die geringe Salonfähigkeit von Psychodrama ist mir ein Dorn im Auge“

 Glaubst Du, dass ein häufigerer Austausch zum Beispiel dieser Art zwischen Organisationen/Handelnden aus unterschiedlichen Feldern mit Psychodramatiker/innen sinnvoll wäre, um das Psychodrama breiter zu verankern und dessen Stärken zu verdeutlichen? Und wenn ja – welche Voraussetzungen braucht es dazu?

Ja, ich glaube, dass das Psychodrama für sich selbst mehr Bühne braucht. Nach 20 Jahren Erfahrung in der Führungskräfteentwicklung ist mir die geringe Salonfähigkeit des Psychodramas in der Welt von Business und Leadership nach wie vor ein Dorn im Auge. Es scheint nicht ausreichend zu sein, die Methoden und vielfältigen Psychodrama-Instrumente in Schulung und Beratung solide anzuwenden. Es braucht Beauftragungen wie diese, um das Psychodrama einem breitem Publikum aus der Welt der Unternehmen in Theorie und Praxis näher zu bringen.

Weitere Informationen:


www.birthundlueffe.de

www.commonpurpose.de

Fotos: Common Purpose, Gaby Birth