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Iseo 2019 – Ein Erfahrungsbericht von Agnes Dudler

2. Internationale IAGP Konferenz + 8. Internationaler Psychodramakongress
Titel: „Who Shall Survive?“
4. – 8. September 2019, Iseo, Italien
Tagungsfilm: IAGP International Psychodrama Conference
„Gut 400 Kolleginnen und Kollegen aus 38 Ländern versammelten sich für diese politisch motivierte und engagierte Konferenz am Lago d`Iseo. Unter den Referentinnen und Vortragenden war auch die internationale Psychodramaprominenz versammelt und viele, auch sehr junge PsychodramatikerInnen aus Italien, aber auch recht große Gruppen z.B. aus Russland, Griechenland, Türkei, Rumänien, Israel und sogar Palästina. Deutsche waren wir nicht mehr als 8, darunter Grete Leutz und Kersti Weiß.
Tagungsort war – wie schon bei der 3. Intern. Soziodramakonferenz in 2014 – eine Schule für Sozialarbeit mit Behinderten. Eine Gruppe Schwerbehinderte mit ihren Betreuerinnen boten am ersten Abend ein Theaterstück zum Thema „Wasser“. Meine Ambivalenz, ob das Sinn macht, legte sich im Gespräch mit meinen Nachbarn, Eltern eines der schwerst beeinträchtigten jungen Männer im Rollstuhl. Sie erzählten wie sehr es ihren Sohn über Wochen belebt, eine solche Aufführung vorzubereiten und Publikum zu haben.
Das Tagungsthema, das aktuell immer weiter an Brisanz gewinnt, hatte drei Schwerpunkttage: Umwelt – Trauma – Gender, und die Themen wurden in Symposien, Panels, mit Vorträgen und vielen Workshops bearbeitet. Morgens um 8 ging es schon los mit sogenannten Homegroups, die sich an allen Tagen in konstanter Besetzung zum Erfahrungsaustausch trafen. Stefan Flegelskamp, Milena Mutafchieva (Bu) und Reijo Kauppila (FL) stellten in einem Symposion und einem Workshop ihr erfolgreiches Traumabewältigungsprojekt für Kinder vor (EBTS, ein EU-Projekt). Ich selbst habe am ersten Abend eine Großgruppe zusammen mit Manuela Maciel (P) geleitet, war an einem Symposion zur Traumabewältigung mithilfe von Gruppen beteiligt, wo ich unsere Erfahrungen in Gaza dargestellt habe, und hatte einen sehr gut besuchten, lebendigen Workshop „Wisdom Rising – Empowering The Feminine“.
Sue Daniels, die bemerkenswerte Psychodramatikerin aus Australien leitete ebenfalls einen Workshop und eine Großgruppe, des weiteren eine brasilianische Kollegin, die allerdings im Plenum die Gruppe zunehmend aus dem Auge verlor. Es gab ei rundum spannendes Angebot, insgesamt ein wenig zuviel.
Die Sinnfrage solcher Veranstaltungen wurde von Einigen während der Tagung immer wieder gestellt: Wiegen die Begegnungen und Erkenntnisse die Umweltbelastung durch Reisekosten, Mittagessen aus Plastikgeschirr, Hunderte von Plastikkaffeebechern u.a. auf? – Immerhin wurde der Plastikverbrauch mehrfach benannt und begonnen zu ändern. – Oder ist es mehr ein Jahrmarkt der Eitelkeiten? Ich hörte dazu unterschiedliche Stimmen, überwiegend positive und beantworte für mich die Frage mit Ja.
Mich haben v.a. die Begegnung mit jungen russischen, italienischen und palästinensischen KollegInnen bewegt und ich habe mehrfach auch bei anderen mitbekommen, welch intensive Gespräche angeregt wurden. Lehrreich für mich war der Workshop von Kate Tauvon (GB und S) zu Fragen der transgenerational geerbten Resilienz und welche Copingstrategie wir selbst weitergeben. In zwei der Grossgruppen, dem Symposion zu Trauma und nach einem Vortrag des Palästinensers Khader Rasras aus Ramallah entstanden teils heftige und sehr lebhafte Diskussionen nicht nur zwischen Israelis und PalästinenserInnen. Wir erleben es in Deutschland ja immer noch, wie nachhaltig Kriegstraumatisierungen wirken; umso erschreckender ist es mitzuerleben, wie an so vielen Stellen in der Welt weiterhin Krieg und Gewalt herrschen und weitergegeben werden. Ermutigend daher die vielfältigen Erfahrungen von hilfreicher Gruppenarbeit, in der Menschen sich heilsam begegnen können, die genauere Erforschung, was hilft und die weitergäbe der Erkenntnisse.
Was in Deutschland in den 90ern auch geschah, das Leid von Juden und Deutschen gleichzusetzen, passierte auch in Iseo im missglückenden Versuch, die Gräben zwischen Israelis und Palästinensern zuzuschütten. Auch wenn alle Beteiligten solcher Gewaltausübung leiden und viele Symptome ähnlich sind, bleibt es ein wichtiger Unterschied, ob Menschen die Demütigung der Opferrolle oder die Schuldfrage auf der Täterseite zu bewältigen haben.  Und mit fortschreitender Dauer solcher Gewaltverhältnisse potenzieren sich auf beiden Seiten Opfer wie Täter.
Voneinander lernen kann man nur in Begegnung; dazu bieten solche Konferenzen vielfältige Anlässe. Es bleibt jeweils abzuwägen, ob der finanzielle, der ökologische und der persönliche Einsatz gerechtfertigt sind.
Die nächste Internationale Soziodramakonferenz findet vom 24. -28. Juni 2020 in Lissabon statt. Die Soziodramakonferenzen thematisieren ausdrücklich die Weiterentwicklung soziodramatischer Arbeit zur Konfliktbewältigung. Unsere brasilianischen KollegInnen sind hier bedeutsame VorreiterInnen. Wie schon 2015 in Griechenland auf Kos wird in Portugal jeden Nachmittag öffentlich Soziodrama mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen stattfinden. Unser englischer Kollege Ron Wiener wird mit dem Zug fahren, auch wenn das mehr als 30 Stunden dauern wird.“