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Humanistische Verfahren im Austausch: Psychodrama (PD) und Transaktionsanalyse (TA)

Ein Beitrag von Ulla Fangauf und Katharina Grünewald vom
Fachtag der Deutschen Gesellschaft für Transaktionsanalyse 
im Januar 2019 in Frankfurt/Main: 

Workshop: „Beziehungsklärung mit der Methode Psychodrama“

Das Menschenbild der Humanistischen Verfahren, zu denen PD und TA gehören, ist ganzheitlich geprägt und ressourcenorientiert. Es geht davon aus, dass der Mensch ein kreatives und soziales Wesen ist, fähig zu Entfaltung und konstruktiver Veränderung, ausgestattet mit den erforderlichen Ressourcen, um sich – bei psychischen Störungen ggf. mit Hilfe der psychotherapeutischen Beziehung und durch spez. psychotherapeutische Interventionen – aktiv aus psychischem Leid zu befreien.

Alle Verfahren der Humanistischen Psychotherapie haben unterschiedliche Methoden entwickelt, aber alle achten auf einen kooperativen, emanzipatorischen Stil. Die TherapeutIn ist empathisch zugewandt, professionell abgegrenzt, ggf. auch konfrontativ, bietet Halt, Struktur und eröffnet Experimentierraum und Interventionen für neue Sicht- und Handlungsweisen. Die PatientIn bzw. KlientIn wird ermutigt, unklare oder unbewusste innere Prozesse emotional zu begreifen und dann kognitiv zu integrieren. Gefördert wird das Verständnis für Verantwortlichkeit für sich, für andere Menschen und für die soziale und ökologische Umwelt. 

PD und TA sind im Kreis der humanistischen Verfahren gut aufgehoben. Um die diversen Methoden besser kennenzulernen laden die Verbände hin und wieder Vertreter anderer Verfahren zu Fachtagen oder Kongressen ein. So auch im Januar 2019. Thema des Psychodrama-Workshops war das „Soziale Atom“

Das ‚Soziale Atom‘ ist das sozioemotionale System von Beziehungen zwischen Menschen, in dem sich die individuelle Persönlichkeit entwickelt und mit der ihr Lebensschicksal unmittelbar verknüpft ist. Jeder Mensch braucht lebensnotwendig andere Menschen und andere brauchen ihn. Ihre Wünsche und Bedürfnisse überkreuzen sich, bewusste und unbewusste Kräfte der Anziehung und Abstoßung finden statt. „Nicht das Individuum, sondern das soziale Atom ist die kleinste soziale Einheit“ (Moreno 1947). Ein Atom (griech: unteilbar) ist die kleinste Einheit eines Elements aus einem Atomkern und umgebenden Elektronen. Ebenso ist ein Mensch nur entwicklungs- und lebensfähig mit seinen Bezugspersonen.

Soziales Atom Ulla.png

Abb: Innerer Teil = nahe und wichtige Beziehungen
Zweiter Kreis = Freundschaften, Kollegen, entferntere Verwandte

(geringere emotionale Bedeutung) 
Männer sind als Dreiecke gezeichnet, Frauen als Kreise.

 

Zum ‚sozialen Atom‘,  gehören nicht alle Menschen, mit denen das Subjekt in Beziehung steht, sondern nur diejenigen Personen, mit denen eine emotional bedeutsame Beziehung vollzogen oder gewünscht wird. Die übrigen Personen gehören zum Bekanntschaftsvolumen. Auch verstorbene oder räumlich weit entfernte Personen können eingezeichnet werden, ebenso die Art der Beziehung (harmonisch, konfliktbelastet…) etwa als gezackte oder glatte Linien zwischen den Symbolen. 

Im Psychodrama können die nahen Bezugspersonen aufgezeichnet, mit Symbolen oder Figuren auf einer Tischbühne optisch sichtbar gemacht oder im Raum dargestellt werden (in der Gruppenpsychotherapie mit Personen, in der Einzeltherapie mit Gegenständen oder Stühlen).

Katharina Grünewald , Familientherapeutin aus Köln, (www.patchworkfamilien.com) war eine der TeilnehmerInnen im Psychodrama-Workshop anlässlich der TA-Fachtagung und berichtet im Folgenden, wie sie die Veranstaltung erlebt hat.

Erlebensbeschreibung des Psychodrama- Workshop auf der TA- Fachtagung am 25.1.2019 in Frankfurt

Psychodrama interessiert mich sehr und Elemente sind mir schon aus verschiedensten Kontexten bekannt gewesen. Deshalb freute ich mich auf ein weiteres Kennenlernen im Workshop mit Ulla Fangauf auf dem Fachtag.

I. Persönliches Erleben

Skizze – „Es geht leicht!“

Das ‚soziale Atom‘ war Thema des Workshops. Der spielerische und direkte Einstieg ins eigene Tun fiel mir sehr leicht. Ohne viel Theorie skizzierte jeder für sich sein soziales Atom auf Papier. Mir kam es vertraut vor, es erinnerte mich an systemische Genogramm- und Aufstellungsarbeit. Ich war sehr schnell fertig, wollte mich bewusst sehr spontan und ohne viel nachzudenken einlassen und war überrascht, wie viele Menschen sich in kürzester Zeit auf meinem Blatt wiederfanden. 

 Aufstellung – „Ich stehe im Mittelpunkt!“

Am besten und am schnellsten lerne ich, wenn ich aktiv am eigenen Leibe die Methode erfahre, also meldete ich mich zur Aufstellung.

Mit Ullas Hilfe baute ich also mein soziales Atom im Raum auf, suchte intuitiv die Menschen für meine Bezugspersonen aus und musste mich dabei auf die wesentlichen beschränken. Auch die Anordnung im Raum war spontan und intuitiv. Hätte ich länger darüber nachgedacht, hätte ich die Beziehung der anderen untereinander mehr mit beachtet. So war alles auf mich fokussiert und bereitete mir im Prozess etwas Schwierigkeiten, weil eine Einschärfung von früher heißt: „Stell Dich nicht in den Mittelpunkt!“

Die Vorstellung der Bezugspersonen machte Spaß. Ich freute mich, die Personen so darzustellen, wie ich wollte. Schwieriger war es allerdings dann den Satz zu hören, den die Personen zu mir sagten. Teilweise merkte man auch, dass es den Stellvertretern schwer fiel, sich an meine Anweisungen zu halten. Mir wurde bewusst, dass meine Wahrnehmung und Perspektive irgendwie nicht stimmig war. Die entsprechende Person würde den Satz in der Realität so niemals sagen. 

Durch dieses Vorgehen wurde mir (wahrscheinlich auch den anderen) sehr schnell klar, welche Beziehungen aktuell  virulent waren und sich daher in einem besonderen Maße nicht stimmig anfühlten. Das waren die Beziehungen zu meinen beiden Söhnen (13 und 16 Jahre alt) und zu meiner Schwester (3 Jahre älter als ich).

Diese Beziehungen wurden weiter vertieft. Durch das Finden von Worten und Formulierungen in einem Dialog zwischen mir und meinen Söhnen (mit jedem einzeln) kam mehr Klarheit in die aktuelle Situation der Beziehung. Ich habe Schwierigkeiten, sie loszulassen. Sie wollen mehr Freiheit, können mir aber noch nicht sicher vermitteln, dass sie die Verantwortung für sich gut übernehmen können und haben tatsächlich auch noch Schwierigkeiten, diese immer und komplett zu übernehmen. Dieser Konflikt passt in diese Lebensphase und ist Teil der Entwicklung. So ist es. Ich fühlte mich entlastet und bestätigt.

Der Dialog mit meiner Schwester war schwieriger für mich. Sie ist meine ältere Schwester und ich war früher immer froh und dankbar, wenn ich bei ihr und ihren Freundinnen sein durfte, sie mich nicht als ‚Kleine‘ ausschloss. Seit einigen Jahren haben wir ein freundschaftliches Verhältnis auf Augenhöhe. In den letzten Monaten ging es ihr allerdings wegen ihrer Ehe- und Jobkrise nicht gut und ich war viel und oft an ihrer Seite. Jetzt brauchte ich Distanz, spürte ein Bedürfnis, wieder aus dieser ‚Kümmerrolle‘ heraus zu kommen und mit meinen eigenen Bedürfnissen wahrgenommen und gesehen zu werden. Allerdings konnte ich es ihr wegen der früheren Beziehungsdynamik nicht sagen. In der Übung gelang es mir mit Hilfe von Ulla.  

II. Zusammenhang zur Transaktionsanalyse

Struktur- und Funktionsmodell

Das spontane Aufstellen ist ein sehr aufschlussreicher Prozess. Mit Hilfe des Struktur- und Funktionsmodell der Transaktionsanalyse lässt sich hier der Energiefluss zwischen den einzelnen Persönlichkeitsinstanzen gut beschreiben. Durch den spielerischen Einstieg wird die freie Kind-Ich-Instanz geweckt. Es darf Regie führen und ‚nach Lust und Laune‘ aufstellen. Doch mit der ersten Person und damit einer Beziehungsdynamik werden auch andere Instanzen aktiviert, z.B. die angepasste Kind-Ich-Instanz: „Ich brauche Schutz, mein Mann soll ganz nah bei mir sein!“ Auch die  Eltern-Ich-Instanz schaltet sich ein: „Die Kinder muss ich gut im Blick haben!“ usw…. Um die Aufgabe weiter durchzuführen, braucht man also die Erwachsenen-Ich-Instanz mit ihren sortierenden, differenzierenden und priorisierenden Qualitäten. 

Transaktionen werden ins Hier&Jetzt verlegt

Beim Aufstellen werden vorbewusste Bilder, Energien und Dynamiken auf eine bewusste Ebene transformiert. Skriptanteile werden deutlich und alte Muster, Antreiber und Einschärfungen werden durch die aktuelle Situation der Aufstellung und des Dialoges zwischen dem Aufstellenden und der jeweiligen Bezugsperson ins Hier& Jetzt gebracht. Durch die Dialogführung werden Blockaden und Beziehungsdynamiken deutlich und können hier ggf. korrigiert werden, entweder durch den eigenen erwachsenen Blick oder mit Hilfe der Therapeutin. Neue heilsame Dialoge und Verhaltensweisen werden eingeübt und der Aufstellende macht eine enttrübende Erfahrung. 

Erwachsenen- Ich-Stärkung

Ziel der Erwachsenen-Ich-Stärkung ist es, die Energie dieses Persönlichkeitsanteils zu erhöhen. Hieraus verhält sich eine Person beobachtend, interessiert, analysierend und offen. Sie prüft die Realität, hinterfragt und managt das Zusammenspiel der anderen Persönlichkeitsanteile. Optimalerweise wird hier gesteuert, welche Haltung in der jeweiligen Situation zum Zuge kommt.

Die ‘soziale Atom-Übung‘ stellt einen geschützten Raum dar: es ist ein Vertrag geschlossen worden, der es der Aufstellenden ermöglicht, sich und alte Beziehungsdynamiken zu erkunden und neue Verhaltensweisen und Perspektiven auszuprobieren. Die Erfahrungen des Perspektiv- und Rollenwechsels und des Erlebens verschiedener Ich-Ebenen sind stärkende, heilende und korrigierende Behandlungsschritte, die eine neue Grundlage zur persönlichen Ausrichtung darstellen können. 

Fazit: 

Ein Miteinander verschiedener Psychotherapiemethoden kann durchaus gelingen und sehr fruchtbar sein. Gerade die humanistischen Psychotherapiemethoden können sich wunderbar ergänzen und lassen sich aufgrund des gemeinsamen humanistischen Fundaments gut kombinieren.

In unserem Beispiel kann man sich sehr gut vorstellen, dass während und nach der psychodramatischen Darstellung Techniken/Theorie aus der Transaktionsanalyse angewendet werden können und dies die Technik ‚soziales Atom‘ um eine weitere Dimension bereichert. Voraussetzung ist immer, dass dies indiziert ist und der Therapeut, die Therapeutin alle verwendeten Verfahren beherrscht .