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VPP aktuell: DFP-Vorstand Dr. Ulrike Fangauf zur Vielfalt in der Psychotherapie

„Die humanistischen Verfahren beinhalten einen wunderbaren Schatz an Theorie und effektiven Methoden, die überall auf der Welt geschätzt werden. Wir brauchen eine Vielfalt der Psychotherapieverfahren auch in Deutschland!“ – so lautet das Fazit der DFP-Vorstandsvorsitzenden Dr. Ulrike Fangauf in ihrem Beitrag in der Dezemberausgabe 2012 von „VPP aktuell“, der Zeitschrift des Verbandes Psychologischer PsychotherapeutInnen im BDP e.V.´

Ihr Beitrag ist zugleich ein eindringlicher Hinweis auf den therapeutischen Wert von Psychodrama:

Brauchen wir die Humanistischen Verfahren? Brauchen wir Vielfalt in der Psychotherapie?

Die Humanistische Psychotherapie soll als vierte Grundorientierung neben der behavioralen, psychodynamischen und systemischen Psychotherapie etabliert werden. Damit wird eine Strömung sichtbar gegen die derzeitig versuchte Vernichtung der Vielfalt von seit Jahren praktizierten, sehr erfolgreichen und kostengünstigen (!) Psychotherapieverfahren. Am Beispiel des Psychodramas, begründet durch Jakob L. Moreno, das zu den humanistischen Verfahren zählt, soll deutlich gemacht werden, was verloren geht, wenn sich kein Widerstand regt gegen die Errichtung einer psychotherapeutischen Monokultur.

Psychodrama ist eine Methode, welche „die Wahrheit der Seele durch Handeln ergründet“ (Moreno). Eine seiner Stärken ist es, intrapsychische und soziale Störungen sichtbar darzustellen, erlebbar und auf neue Art verarbeitbar zu machen. Einzigartig sind beispielsweise der psychodramatische Rollenwechsel, in dem der Patient das Problem, sich selbst und die anderen Beteiligten aus einer neuen Perspektive wahrnimmt und gleichzeitig sein Einfühlungsvermögen trainiert oder die Spiegelposition, die eine Möglichkeit zur Distanzierung und Beurteilung von außen ermöglicht.

“Das unterstützende Doppeln, das einfühlende Interview – immer geht es darum, die subjektive Wirklichkeit (ein Symptom, einen Konflikt…) umfassend szenisch zu verstehen, um dann ganz individuelle, persönliche Lösungsmöglichkeiten zu finden, eingedenk des sozialen Umfelds.“

Die Vergangenheit als solche kann nicht verändert werden, aber ihre internalisierten, „abgespeicherten“ Bilder und Erlebnisse. Daher endet eine Psychodrama-Sitzung meist mit einer „surplus-reality“, etwa einer Szene, die das Ereignis zeigt, so, wie es hätte sein sollen (Wunscherfüllung) oder einer „Zukunftsprobe“.
Moreno hat intuitiv grundlegende Erkenntnisse vorweggenommen, deren empirische und wissenschaftliche Beweisführung die Säuglingsforschung und die Neurobiologie erst in den letzten Jahren leisteten. Er war sich sicher, dass der Mensch von Geburt an ein kreatives und soziales Wesen ist, sich lebenslang verändern kann und dass das „Selbst“ über das Handeln in Rollen entsteht.

Geschätzt gibt es in Deutschland derzeit 6.000 Psychodramatiker. Es waren die Patienten, die die humanistischen Methoden in ihre Berufe integrieren wollten, weil sie am eigenen Leib erlebten, wie wirksam sie sind. Und so wird das Psychodrama, selbstverständlich in speziell für das jeweilige Format modifizierter Form, heute auch in vielen Bereichen der Bildung und Beratung angewendet, in Supervision, Coaching, Organisationsentwicklung, Familienberatung, Pädagogik, Theologie u.v.m.
Aber: In Ländern wie Österreich, Portugal, Schweiz und Ungarn wirkt sich die staatliche Anerkennung des Psychodramas sehr förderlich auf seine Weiterentwicklung aus. Das wünschen wir uns auch für Deutschland. Hier hat Alfons Aichinger eine sehr wirkungsvolle Art, mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, entwickelt. In der ambulanten wie stationären Suchttherapie sind Psychodramaausbildungen von den Rentenversicherungsträgern anerkannt und sehr erfolgreich.

Die humanistischen Verfahren beinhalten einen wunderbaren Schatz an Theorie und effektiven Methoden, die überall auf der Welt geschätzt werden.
Wir brauchen eine Vielfalt der Psychotherapieverfahren auch in Deutschland!

Dr. Ulrike Fangauf, Deutscher Fachverband für Psychodrama e.V. (DFP)

in: VPP aktuell Heft 19 Dezember 2012