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Stellungnahme der AGHPT zum Gutachten des Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie zur Humanistischen Psychotherapie – Wurde nach wissenschaftlichen Kriterien entschieden?

Der WBP hat zu zwei Hauptfragen Stellung bezogen: Hat die Humanistische Psychotherapie ausreichende empirische Evidenz und ist sie ein Psychotherapieverfahren?

Zur Frage der empirischen Evidenz hält die „Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie“ (AGHPT) die Einschätzung des WBP schlicht für interessengeleitet. Im Verfahren zur Bewertung der wissenschaftlichen Anerkanntheit der „Gesprächspsychotherapie“ hatte der WBP 2002 immerhin 32 Wirksamkeitsstudien anerkannt. Der Antrag der AGHPT von 2012 enthielt davon immerhin (wegen unterschiedlicher Zuordnungen) 27 Studien. 26 der 27 dieser vom WBP als Wirksamkeitsbelege anerkannten Studien wurden nun vom aktuellen WBP abgelehnt.
Er hat den Antrag der Humanistischen Psychotherapie an einer einzigen, aus seiner Sicht fehlenden Studie für den Indikationsbereich der „Angststörungen und Zwangsstörungen“ „scheitern“ lassen, für die anderen Indikationsbereiche lagen insgesamt ausreichend Studien vor.

In der Stellungnahme der AGHPT  zum Vorbericht des WBP zu seiner Studienbewertung  vom 16.10.2017  hatte die AGHPT die Ablehnung von 9 RCT-Studien zum Angstbereich beanstandet, was aber vom WBP einfach ignoriert wurde. Ein Beispiel für die Unredlichkeit der Prüfung ist eine Studie von „Ascher, 1986“ (ebd., S. 7), die mit der Begründung abgelehnt wurde, sie hätte keine Humanistische Psychotherapie sondern Verhaltenstherapie untersucht. Die AGHPT legte in ihrer Stellungnahme ein Schreiben von Ascher vor, dass er als Ehrenmitglied der Wiener Existenzanalytiker die Vorgehensweise in dieser Studie persönlich mit Viktor Frankl, dem Begründer der Existenzanalyse, abgesprochen habe und der Kern der Interventionen sich an dessen Konzept „paradoxer Intention“ orientiere. Gleichwohl hielt der WBP an seiner Sicht fest, in der Studie handle es sich um Verhaltenstherapie und ignorierte damit die Aussage des Autors. Ein kleines Beispiel dafür, wie in diesem WBP – Verfahren „alternative Fakten“ zu Ungunsten der Humanistischen Psychotherapie erzeugt wurden.

Wenn neben den immerhin 29 vom WBP anerkannten Studien, diese Studie von Ascher auch anerkannt worden wäre, hätte die Humanistische Psychotherapie entsprechend den im Methodenpapier des WBP festgeschriebenen Kriterien insgesamt ausreichend empirische Evidenz nachgewiesen. Darüber hinaus gab es viele der über 300 vorgelegten Studien, die der WBP willkürlich entweder nicht der Humanistischen Psychotherapie zugeordnet oder als mit „nicht ausreichender Effektivität“ bewertet hat. Bei einer fairen Überprüfung hätte der empirische Nachweis der Humanistischen Psychotherapie anerkannt werden müssen.

Der WBP hat auf der Verfahrensebene zumindest festgestellt:
”Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie kommt daher zu dem Schluss, dass es sich bei der Humanistischen Psychotherapie um eine übergeordnete psychotherapeutische Grundorientierung handelt, die im internationalen Schrifttum repräsentiert ist.” (Gutachten des WBP zur HP, S. 23)
Die psychotherapeutischen Grundorientierungen – gegenwärtig vier: Verhaltenstherapie, Psychodynamische Therapie, Systemische Therapie und Humanistische Psychotherapie – spielen in der gegenwärtigen Ausbildungsreformdiskussion eine große Rolle, da der Deutsche Psychotherapeutentag mehrfach beschlossen hat, dass sie in einem neu zu schaffenden Psychotherapie-Studium gleichberechtigt vermittelt werden müssen.

Doch als Psychotherapieverfahren hat der WBP die Humanistische Psychotherapie nicht anerkannt:
„Jedoch weder die theoretischen Modelle zur Entstehung von psychischen Erkrankungen noch die Ausführungen über die Theorie der Veränderung und die daraus abgeleiteten Behandlungstechniken können im Sinne des Methodenpapiers als konsistent betrachtet werden.” (ebda., S. 23) Die Bewertung als ”nicht konsistent” wird behauptet aber nicht näher nachgewiesen, obwohl die AGHPT zu diesen Punkten sowohl schriftlich, durch entsprechende Literatur als auch persönlich bei einer Anhörung beim WBP am 21.09.2015 dazu ausführlich Stellung genommen hatte.

Bezüglich der Konsistenz der Verhaltenstherapie ist zu fragen, was z.B. die Schematherapie, eine Kombination aus Elementen der Objektbeziehungstheorie, der Gestalttherapie, der Transaktionsanalyse, der Hypnotherapie u.a. mit der klassischen Verhaltenstherapie zu tun hat, obwohl sie als eine ihrer Methoden gilt.

Konkret ging der WBP bei seiner Ablehnung so vor, dass er antragswidrig die Humanistische Psychotherapie in einzelne Ansätze zerlegte. Dies war die Grundlage dafür, um die Fülle an Wirksamkeitsstudien ebenfalls aufzuteilen und jedem Ansatz getrennt zuzuordnen. Wenn der WBP nach den gleichen Kriterien das Cluster verhaltenstherapeutischer Ansätze überprüft hätte, wären einzelne Methoden jeweils für bestimmte Störungen zwar evidenzbasiert, doch im Lichte der WBP- Zerlegung könnte kaum ein Ansatz die gleichzeitig geforderte Indikationsbreite nachweisen.

Wie viele der 21 Ansätze des psychodynamischen Clusters könnten einzeln jeweils das erforderliche Spektrum von Indikationen abdecken und entsprechende Studien vorlegen, wenn die Psychodynamische Psychotherapie auf gleiche Weise wie die Humanistische Psychotherapie vom WBP zerlegt und geprüft worden wäre? Von daher stellt das Vorgehen des WBP nicht nur einen Angriff auf die Humanistische Psychotherapie sondern in seiner Konsequenz auf die gesamte Psychotherapie dar.

Das Gutachten des WBP gegen die Humanistische Psychotherapie bestätigt nachdrücklich die Kritik  an der Rolle des WBP, seiner Zusammensetzung und seinen Kriterien, die seit vielen Jahren von den VertreterInnen der Nicht-Richtlinientherapie und vielen Berufs- und Fachverbänden geführt wird. Wenn man sich vor Augen hält, dass von den zwölf Mitgliedern im WBP niemand in Humanistischer Psychotherapie ausgewiesen ist, sondern fast alle die Richtlinienpsychotherapie vertreten, kommt diese Entscheidung leider nicht wirklich überraschend. Es stellt sich die Frage, ob wissenschaftliche oder berufs- und machtpolitische Gründe den Ausschlag gegeben haben. Es geht schließlich um den großen Markt der Approbationsausbildungen, der von verhaltenstherapeutischen und psychodynamischen Instituten beherrscht wird.

Nach § 11 des PsychThG hat der WBP aber lediglich eine beratende Funktion: Der jeweiligen Landesbehörde, der BPtK und den Landespsychotherapeutenkammern steht es also frei, wie sie mit dem Gutachten des WBP umgehen wollen.

Doch das Votum des WBP ist nicht nur enttäuschend und ärgerlich für die mehreren Tausend Humanistischen PsychotherapeutInnen in Deutschland, sondern vor allem auch für die PatientInnen. Ein seit Jahrzehnten auch in Deutschland erfolgreich an zehntausenden PatientInnen bewährter Ansatz droht, nach der Verdrängung aus den Universitäten nun auch im Psychotherapiebereich weiter geschwächt zu werden. Doch die AGHPT wird die Anwendung der Humanistischen Psychotherapie natürlich weiter verfolgen, vorantreiben und verbreitern.

Dr. Dipl.-Psych. Manfred Thielen (Vorsitzender der AGHPT) für den Vorstand der AGHPT

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