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Grete Anna Leutz wird 88 Jahre jung – Jahrgang 1930

Der Vorstand des DFP hat Helmut Schwehm als langjährigen Mitarbeiter von Gretel im Moreno Institut Überlingen und als langjährigen DFP-Vorsitzenden gebeten, Geburtstagsgrüße zu schreiben. Das hat Helmut gerne übernommen.

Grete Anna Leutz feiert am 27. Juni ihren Geburtstag.

Wir freuen uns mit ihr und wünschen ihr die bestmögliche Gesundheit mit hoher Achtung für all das, was sie für das Psychodrama getan hat und immer noch tut.
Dass sie als Schülerin und Weggenossin von J.L. Moreno eine, wenn nicht sogar die triebkräftigste Wurzel für das deutsch-sprachige und internationale Psychodrama war und ist, das wissen wir und vergessen es hoffentlich nicht.

Dass sie das Psychodrama mit Klugheit und Geschick in die Verbändelandschaft eingeführt und in Fachkreisen hoffähig gemacht hat, das wissen wir auch und vergessen es hoffentlich auch nicht.

Sie ist Mitbegründerin der Sektion Psychodrama im ehemaligen DAGG, aus dem der Deutsche Fachverband (DFP) hervorgegangen ist. Von 1973 – 1979 war sie deren Vorsitzende. Sie ist auch eine der Mitgründerinnen der International Association of Group Psychotherapy, der sie von 1986 bis 1989 als Präsidentin vorstand. Auch das wissen wir und wollen es auch nicht vergessen.

Natürlich wissen wir nicht alles. Jedes Leben hat ein Anrecht auf Geheimnisse.

Aber wir wissen viel und was wir uns nicht merken können, dafür ist sie gleichsam der inkarnierte Anekdotenschatz ihrer eigenen Biografie.

Wer mit diesem Schatz nicht in Konkurrenz treten will, mag es mal mit anderer Perspektive versuchen, zum Beispiel mit einem Geburtstagsgruß der anderen Art.

Der 27. Juni ist nach alter Bauernregel der Siebenschläfertag. Man kann an diesem Tag ans Wetter denken, aber auch an die zwei Siebenschläferbabies, die es sich in der Uhlandstraße 8 in Überlingen im Vorsatzfenster der Institutsküche gemütlich gemacht und sich zum eigenen, wie auch zum Staunen von Gretel Leutz über die gemeinsame Begegnung sehr gefreut haben. Als Psychodramatikerin ist Gretel Leutz Kosmopolitin und da gehört schließlich die ganze Kreatur dazu. Allerdings: siebenschläfrig ist sie nicht.

Man kann am 27.6. auch an die Legende der sieben Brüder Constantinus, Dionysius, Johannes, Malchus, Martinianus, Maximinianus und Serapio denken, die sich auf der Flucht vor Kaiser Decius in einer Höhle bei Ephesus versteckt haben. Dort wurden sie lebendig eingemauert und fielen daraufhin, von Gott bewacht, in einen tiefen Schlaf. Erst im Jahr 446 wurden die sogenannten „Siebenschläfer“ gefunden. Sie erwachten nach 195 Jahren aus ihrem Schlaf.

Gretel Leutz muss man nicht aufwecken, manche PsychodramatikerInnen vielleicht. Sie selbst nimmt wachsam bis heute am lebendigen Geist des Psychodramas teil, der, egal wie man versucht, ihn einzudämmen, letztendlich immer wieder auferstehen wird. Wie soll es anders sein, wenn man gelernt hat, how to play God.

Well, Dr. Freud, I start where you leave off. You meet people in the artificial setting of your office,
I meet them on the street and in their home, in their natural surroundings. You analyze their dreams,
I try to give them the courage to dream again. I teach the people how to play God.“
(Moreno 1946: 5-6 in Blatner 1988: 19)

In dem Jahr, in dem Grete Leutz geboren wurde, starb Helene Lange. Sie war eine deutsche Frauenrechtlerin, Politikerin und Pädagogin, die sich für eine bessere Schulbildung von Frauen und Mädchen einsetzte und als eine der wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen Frauenbewegung gilt. Für Grete Leutz eine Patentante im Geiste? Immerhin sind gegenwärtig in psychodramatischen Weiterbildungsgruppen und auf psychodramatischen Fachtagungen öfter mehr Frauen als Männer sichtbar.

1930, wie gesagt Gretels Geburtsjahr, starb Arthur Conan Doyle, ein schottischer Schriftsteller und Arzt, der die Kriminalromane um „Sherlock Holmes“ und „Dr. Watson“ schrieb. Vielleicht flog die kriminalistische Neugier und Entdeckungsgabe des Autors auf geheimnisvolle Weise ins Kindbett von Gretel Leutz. Wer sich von ihrem wohlwollend neugierigen Doppeln durch die Tatorte psychodramatischer Szenen zu kathartischen Tiefen sowie zur Entdeckung im Nebel des Bewusstseins gut getarnter Leichen verleiten und sich dadurch seine Fälle aufklären ließ, mag sich erlöst lächelnd auch einen solchen Patenonkel vorstellen können. Gretel Leutz, „eine“ Sherlock Holmes und Dr. Watson des Psychodramas in einer Person.

Im Februar 1930 wurde Joanne Gignilliat Trimmier Woodward in Thomasville, Georgia, geboren, heute wie Grete Leutz 88 Jahre alt. Sie ist eine US-amerikanische Schauspielerin, die ab Mitte der 1950er-Jahre in Hollywood erfolgreich war. Ihr Ehemann war Paul Newman. Sie war vor ihm berühmt. In zweien ihrer Filmdramen – „Eva mit den drei Gesichtern“ und „Sybil“ – spielte sie auf eindrucksvolle Weise , einmal als Betroffene und einmal als Ärztin, den Umgang mit der Rollenvielfalt unserer inneren und äußeren psychodramatischen Bühnen. Joanne Woodward und Grete Leutz: die eine mit dem Global World Award als beste Hauptdarstellerin, die andere mit dem J.L. Moreno Award. Zwei psychodramatische Persönlichkeiten, die eine mehr Actor, die andere mehr Doer. Vielleicht gratulieren sie mal einander zum Geburtstag.

Ja und da ist noch die Uhlandstraße in Überlingen, mit der Hausnummer 8 eine dezente Anspielung auf das Lebensalter von Gretel Leutz. Im Gegensatz zu Gretel Leutz war Ludwig Uhland kein Global Player. Stets in Tübingen gewohnt, immerhin Studienaufenthalt in Paris und viel auf Wanderschaft gewesen in deutschen Landen, dabei öfter in Überlingen. Aber nicht zu vergessen: Ludwig Uhland war Akteur im Württembergischen Landtag und im Nationalparlament in Frankfurt; für die Linksliberalen, für die Revolutionäre. Ein Dichter und Politiker!

Gretel Leutz nimmt auf ihre Weise das Vermächtnis der Uhlandstraße an. Von der Uhlandstraße aus konnte sie als 14 Jährige sehen, wie KZ Häftlinge vom KZ Überlingen-Aufkirch, einer Außenstelle des KZ Dachau, zur Zwangsarbeit in den Goldbacher Stollen getrieben wurden. Das vergisst sie nicht.

Sie tritt auf die öffentliche Bühne, erinnert und mahnt. Sie bleibt in vielerlei Hinsicht global und lokal sensibel für die politischen und ökologischen Spannungen und Herausforderungen auf der Welt-Bühne, bis heute. Wie war das noch bei Moreno?
A truly therapeutic procedure cannot have less an objective than the whole of mankind.“ J.L. Moreno 1934: Who Shall Survive? ( „Eine wahrhaft therapeutische Methode darf nichts weniger zum Objekt haben als die gesamte Menschheit.“ )

Ich kenne Grete Anna Leutz seit 1978. Das sind 40 Jahre, auch ein Jubiläum. Von 1990 bis 2010 habe ich mit ihr im Moreno Institut Überlingen in verschiedenen Rollen zusammengearbeitet. Unsere Begegnungen sind heute wie gestern lebendig und psychodramatisch. Ich möchte keine missen. Sie ist für mich Psychodrama life.

Danke!

In der Sprache der Kinder, der Urquellen des Psychodramatischen Rollenspiels:
Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten Dich sonst sehr vermisst!

Juni 2018
Helmut Schwehm